Die Angst, die Hartherzigkeit und die Liebe
Verfasser: AxelSusen-dieBasis on Wednesday, 11 November 2020Bereits zu Beginn der Corona-Krise schrieb der bekannte italienische Philosoph Giorgio Agamben, dass wir die Grenze zur Barbarei überschritten hätten, ohne es zu merken. Das Indiz, das ihn zu dieser Feststellung führte, waren die Kontaktverbote zu Alten und Sterbenden. So etwas hätte es in der Menschheits- und Zivilisationsgeschichte noch nie gegeben, meinte Agamben.
Seither ist ein dreiviertel Jahr vergangen und wir können sicher sein, dass viele Menschen allein und nicht wenige von ihnen vor Einsamkeit gestorben sind. Verwandte, Freunde und manchmal engste Familienmitglieder sind in der Folge nicht zu Beerdigungen gegangen, haben die einsam Gestorbenen auch auf dem letzten Gang allein gelassen. Und viele Menschen schauten und schauen immer noch weg.
Wie anders denn als hartherzig lässt sich so ein Verhalten bezeichnen? Sicherlich ist auch Gehorsam mit dabei, die behördlichen Zwangsvorgaben müssen, oft vorauseilend, befolgt werden. Aber ein weiches, lebendiges Herz würde nicht wegschauen und wäre nicht in erster Linie gehorsam. Es würde dem Impuls folgen, zu lieben und Trost zu spenden, und es wäre traumatisiert, wenn es das nicht tun könnte. Wie also kommt es zu diesem harten Herzen und hartherzigen Verhalten? Wie war das - und wie ist das immer noch - möglich? Warum lassen wir das zu? Schnelle Antworten verbieten sich, aber diese Fragen dürfen uns nicht in Ruhe lassen.