Methodenfalle AGIL

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Agil ist schwer in Mode - als Methode und gewünschtes Verhalten von Mit-arbeitern. Schneller und effektiver soll es zugehen in unseren Organisationen. Das Problem: Agiles Verhalten ist in Wahrheit die natürliche Folge einer Kultur der Selbstorganisation – in der sich Mitarbeiter aus eigenem Antrieb so aufstel-len, wie es die größte Wirkung verspricht. Einer Kultur, in der Mitarbeiter inter-disziplinär kooperieren, iterieren, kalkuliert frühe Fehler machen, in kontinuier-licher Verbesserung denken, die Erfolgskonzepte ihrer Zusammenarbeit identi-fizieren, auf menschliche Intuition setzen, usw. ... Folge einer Kultur bedeutet: Die Methode macht nicht die Kultur, sondern die Kultur schafft den Rahmen für Methoden. Oder eben nicht. Und genau da liegt nach Ansicht von Alexander Häussermann und Mike Raven – Partner bei der MAVEX GmbH – die Falle, in die offensichtlich viele Unternehmen tappen. Scrum & Co werden vielerorts als Methode eingeführt und entfalten nicht die gewünschte Wirkung, weil die vorhandene Kultur die Methoden nicht „verträgt“.

Die agilen Methoden gründen auf einem Modelling-Prozess – im Ursprung zurückzuführen auf die Japanischen Professoren Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi. Anspruch eines Modelling-Prozesses ist es, etwas zu beobachten und zu beschreiben, das als gute, wirksame Praxis daherkommt und deshalb nachahmenswert erscheint.

Das Problem an Modelling-Prozessen: sie fokussieren auf das, was man mit den Sinnen erfassen kann und damit auf Verhalten und Submodalitäten – die in einer bestimmten Kultur, einem bestimmten Set von Mentalmodellen (Haltung, Überzeugungen, Werte, ...) und bestimmten, zu den Mentalmodellen passenden, grundsätzlichen Verhaltensmustern entstanden sind. Den so entstehenden Modellen sieht man allerdings nicht mehr die Merkmale der Kultur an, aus der sie stammen. Das Ergebnis von Modelling-Prozessen wird dann auf eine Methode reduziert und von „uns“ üblicherweise auch so verwendet. Ohne Aufmerksamkeit auf die Merkmale der hinter der Methode liegenden Kultur.

Alexander Häussermann: „Das ist so als würde man Erdbeeren auf Beton anbauen und sich darüber wundern, dass sie nicht angehen. Bezogen auf den Kontext AGIL: Ist ein Team mit der Haltung unterwegs, dass nur kontinuierliche Verbesserung – mit kurzen Rückkopplungsschlaufen usw. – zu wirklicher und nachhaltiger Verbesserung führt, und praktiziert dieses Team kontinuierliche Verbesserung als gewohntes Verhalten, helfen die Tools der agilen Methoden, um genau das zu veredeln und noch wirksamer werden zu lassen. Ist ein Team mit zum Beispiel der Haltung „so machen wir`s schon immer – das ist doch gut“ unterwegs, nerven die Tools nur und werden in der Regel boykottiert - im besten Fall bedient – um des Chefs willen, der die Tools unbedingt einführen möchte. Das kostet Energie und Wirksamkeit. Wie die vielen Formulare, die ausgefüllt werden, damit sie ausgefüllt sind“.

Eine Lösung, der Methodenfalle zu entkommen, liegt nach Ansicht von Häussermann und Raven in der Auseinandersetzung mit der Frage nach der gewünschten Kultur – bezogen auf die typischen Haltungen und Verhaltensmuster, die die Organisation prägen sollen. Und darin, einen kulturellen Transformationsprozess zu initiieren, der es ermöglicht, dass sich die Kultur im gewünschten Sinne verändert. Ziel dabei ist es, dass die Mitarbeiter der Organisation aktiv kulturbezogene Angebote suchen - die sie dabei unterstützen, ihre Arbeit an den Punkten methodisch wirksamer zu gestalten, an denen sie haltungsbezogen bereits sind. Genau wie bei dem Team im KVP-Modus, das die KVP-Tools dankbar nimmt und sie nutzt um (noch) wirksamer zu werden.

Führung macht Kultur

Initiieren eines kulturellen Transformationsprozesses – das ist leicht gesagt. Aber wie entsteht eine neue Kultur? Kultur ist nicht direkt beeinflussbar – sie ist immer das Ergebnis eines Sets von Mentalmodellen (von Haltung) und dazu passenden, typischen Verhaltensmustern. Daraus folgt: Wenn sich Kultur verändern soll, müssen sich die kulturprägenden Mentalmodelle und das dafür typische Verhalten ändern. Die Einflugschneise dafür ist die Erfahrung – denn: Mentalmodelle sind „geronnene Erfahrungen“ und können insofern nur über neue, andere Erfahrungen verändert werden.

Wie werden Erfahrungen zu Mentalmodellen? Am eindrücklichsten zeigt sich das an Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben und die im weiteren Verlauf unseres Lebens immer wieder bestätigt wurden. Klassisches Beispiel: Ein Junge hört in seiner Kindheit immer wieder – von Vater, Onkel und Opa – dass Frauen nicht einparken können. Jedes Hören ist eine Erfahrung. Und wahrscheinlich haben Onkel, Vater & Co sogar immer wieder mal die Aufmerksamkeit des Jungen auf konkrete „Fälle“ im Alltag gelenkt – im Sinne von „siehste, wieder eine Frau, die nicht einparken kann“. Irgendwann werden aus Erfahrungen ein Mentalmodell. Und das hält sich hartnäckig. Vielleicht sucht der Mann, der aus dem Jungen geworden ist, heute noch große Parkplätze, wenn er mit seiner Frau als Fahrerin unterwegs ist.

Das Beispiel zeigt, gerade im Hinblick auf seine nachhaltige Wirksamkeit, ein grundle-gendes Problem beim Generieren von neuen Erfahrungen: Die neuen Erfahrungen kommen nicht von selbst; schlimmer noch: sie werden von unserem Gehirn unterdrückt. Dessen Synapsen sorgen nämlich im Modus Autopilot dafür, dass wir immer erstmal die Erfahrungen machen, die das bestätigen, was wir als Mentalmodelle schon in unserem Gehirn abgelegt haben... Ein Phänomen, das bekannt ist als „selektive Wahrnehmung“. Denken Sie wieder an die Frau, die nicht einparken kann. Jemand, der davon überzeugt ist, wird überall auf der Welt Frauen sehen – aber nur die, die nicht einparken können.

Mike Raven: : „Neue Erfahrungen stellen sich nicht automatisch ein. Sie müssen quasi erzwungen werden – durch das bewusste Lenken von Aufmerksamkeit bei der Interpretation dessen, was wir wahrnehmen. Das geht nur mit Reflexion – heißt: Nicht nur genau hinschauen, sondern dem ersten Interpretationsangebot unseres Autopiloten widerstehen und überlegen, was da noch drin stecken könnte. Wir müssen uns die Deutungshoheit über die von uns wahrgenommene Realität quasi zurückerobern.“

Nun ist Reflexion erfahrungsgemäß in vielen Organisationen nicht im Sortiment des Arbeitsalltags, daher braucht es Erfahrungs- und Reflexionsermöglicher. Und das sind die Führungskräfte. Führung macht Kultur – über die Erfahrungen, die Führung ermöglicht. Und wenn eine bestimmte Kultur entstehen soll, müssen sich die Führungskräfte mit der Frage auseinandersetzen, welche Erfahrungen ihre Leute machen müssen, damit die gewünschte Haltung entsteht, die wiederum das gewünschte, typische Verhalten hervorbringt. Das ist die herausragende Aufgabe von Führung in kulturellen Transformationsprozessen.

Mike Raven: „Und da ist noch ein Haken: wenn wir als Führungskräfte ermöglichen und fördern wollen, dass sich unsere Mitarbeiter auf neue Erfahrungen einlassen, müssen wir dafür sorgen, dass sie uns Vertrauen schenken – eine vertrauensvolle Beziehungsatmosphäre entsteht. Schließlich bedeutet das Sich-Einlassen auf neue Erfahrungen immer auch das Aufgeben scheinbarer Sicherheit und das Heraustreten aus der Komfortzone des Bekannten. Und vertrauensvolle Beziehungen sind die Voraussetzung dafür, dass unsere Mitarbeiter überhaupt neue Erfahrungen machen wollen. Ohne diese vertrauensvolle Beziehungsatmosphäre ist jeder Versuch einer kulturellen Transformation zum Scheitern verurteilt.“

Zusammengefasst: Wenn wir eine agil arbeitende Organisation wollen, braucht es eine agile Kultur – im Sinne der Beschreibung zu Anfang des Artikels. Eine neue Kultur entsteht durch neue Erfahrungen, die durch Führung ermöglicht werden – auf der Grundlage einer vertrauensvollen Beziehungsatmosphäre. Entlang des Entstehens der neuen Kultur beginnen die Mitarbeiter aktiv nach nützlichen Methoden und Tools zu suchen. Zum Beispiel Scrum. Dafür braucht es wieder die Führungskräfte, die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Angebote machen. Und übrigens: Auch neue Organisationstrukturen und Prozesse werden entlang des Entstehens der neuen Kultur von den Mitarbeitern „gezogen“!

Alexander Häussermann: „Eins ist mir noch wichtig. In vielen Organisationen gibt es bereits Teams oder Bereiche, die agil unterwegs sind ... als Folge einer agilen Sub-/ Teamkultur ... Bei diesen schlägt die Methodenfalle oft besonders hart zu. Kommt man denen mit Methoden und Standards im Sinne von „so wird das jetzt gemacht“, bricht die agile Teamkultur zusammen, es entsteht Frust und ... “.

Die MAVEX GmbH ist aktuell dabei, ein Buchprojekt mit gleichem Arbeitstitel (Methodenfalle agil) aufzulegen und sucht dafür Unternehmer (dürfen auch Manager sein), die die Wirkungen der Methodenfalle schon erlebt und gleichzeitig den Mut haben, Reset zu drücken und neu zu starten. Gemeinsam mit Alexander Häussermann und Mike Raven von der MAVEX GmbH durch den Prozess der kulturellen Transformation zu gehen – hin zu einer agilen Kultur und einer agil arbeitenden Organisation. Und, den Prozess im Buch zu dokumentieren und damit für Andere nutzbar zu machen.