In aller Munde: Volkskrankheit Parodontitis frühzeitig erkennen

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 Volkskrankheit Parodontitis frühzeitig erkennen
Gründer der Oralgenix GmbH: Dr. Severino Urban und Dr. Stefan Frey

(Stuttgart/Reutlingen) - Dr. Severino Urban und Dr. Stefan Frey haben 2025 das Unternehmen Oralgenix GmbH im Reutlinger Technologiepark gegründet. Auf Grundlage von molekularbiologischen Analysen des Mikrobioms im Mund entwickeln die beiden Wissenschaftler eine personalisierte Präventivdiagnostik gegen Parodontitis - umgangssprachlich auch "Parodontose" genannt. Diese entsteht durch Zahnbeläge am Zahnfleischrand, welche über die Wechselwirkung mit zahlreichen Bakterien und deren Stoffwechselprodukte Entzündungsprozesse auslösen und in schweren Fällen zum Zahnausfall führen. Allein in Deutschland sind knapp 35 Millionen Menschen davon betroffen, eine frühzeitige Diagnostik ist daher ein großer Beitrag zur Gesundheitsvorsorge. Die übermäßige Vermehrung von Bakterien im Mund steht sogar im Verdacht weitere Krankheiten auszulösen. Der Test von Oralgenix könnte dafür sorgen, dass rechtzeitig die richtigen Therapien angeboten werden können.
Die Geschichte von Dr. Severino Urban und Dr. Stefan Frey ist eine von zahlreichen erfolgreichen StartUp Stories in der BioRegion STERN.

Bakterien hat jeder Mensch im Mund. Das Mikrobiom der Mundhöhle, also die Gesamtheit der Bakterien in diesem Bereich des Körpers, ist individuell und hängt von vielen Faktoren ab: Genetik, individueller Lebensstil, Ernährung, Rauchen oder auch Erkrankungen wie Diabetes können eine Rolle spielen. Das gesunde Mikrobiom kann sich verändern und von der "friedlichen" Symbiose der verschiedenen Bakterien in einen ungesunden Zustand, der Dysbiose, geraten. Anhand bestimmter genetischer Marker kann Oralgenix die bakterielle Zusammensetzung identifizieren und Veränderungen des gesunden Mikrobioms frühzeitig erkennen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Den Patienten bleibt dann auch die unangenehme Behandlung erspart, die erforderlich ist, wenn die Parodontitis weiter fortgeschritten ist: Dann muss mittels einer Sonde der Biofilm aus Bakterien in den Taschen am Zahnhals entfernt werden, oft in Verbindung mit Antibiotika. Etwa zehn Prozent der gesamten Antibiotika werden im Bereich der Zahnmedizin gegeben: Eine effiziente Früherkennung würde eine Verwendung von Antibiotika sehr stark reduzieren und damit die Gefahr von Resistenzen eindämmen.

Die Idee - Wie kam es zur Gründung?
Dr. Severino Urban ist Zellbiologe. Nach dem Studium in Zittau und der Promotion in Heidelberg stellte er fest, dass die akademische Laufbahn nicht seine Zukunft sein würde und wechselte in die Industrie: GMP - Good Manufacturing Practice - wurde sein Thema, und er begann in einem Biotechunternehmen in der BioRegion STERN zu arbeiten. "Ich war in der Qualitätskontrolle tätig, habe mich dann selbstständig gemacht und bin seit viereinhalb Jahren freiberuflicher Berater im Bereich Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung", so Dr. Urban. In Tübingen begegnete er Dr. Stefan Frey, der Mikrobiologie und Genetik in Göttingen studiert hat. Auch ihn hatte es von der Uni in die Wirtschaft gezogen: Er leitete unter anderem ein auf Dentalanalytik spezialisiertes mikrobiologisches Labor und wechselte dann ebenfalls in das hiesige Biotechunternehmen, um Leiter der Qualitätskontrolle zu werden. "Severino und ich haben uns dort unsere Position geteilt. Das war die perfekte Voraussetzung, um sich unter sehr viel Stress kennenzulernen und trotzdem respektvoll miteinander umzugehen", berichtet Dr. Frey. "Die Idee von Oralgenix mit dem Thema Oralmikrobiologie hatte ich schon lange mit mir rum-getragen. Aber ich brauchte das passende Gegenüber für das Vorhaben." Die Person hatte er nun gefunden: Dr. Urban und Dr. Frey stellten schnell fest, dass sie ein gutes Team bildeten und das Risiko eingehen wollten, ein eigenes Unternehmen zu gründen - jedoch mit einer gewissen Absicherung. "Wir kommen neben dem Aufbau dieses Unternehmens immer noch unserer freiberuflichen Tätigkeiten nach, um unseren Lebensunterhalt zu sichern. Außerdem finanzieren wir das Start-up zu einem Drittel selbst." Die beiden anderen Drittel tragen die Bürgschaftsbank und die L-Bank bei. Als teilhabende Geschäftsführer zahlen sich die Gründer (noch) keine Gehälter aus. "Sobald wir hier durchstarten, geben wir aber unsere selbständige Tätigkeit auf", erklärt Dr. Frey, der aktuell noch als Qualitätsberater für Pharma- und Biotechunternehmen tätig ist.

Der "Need" - Wer profitiert von der Idee?
Die Idee der beiden Gründer ist es, einen Beitrag zur Verbesserung der Mundgesundheit zu leisten. Denn Parodontitis ist tatsächlich in so vieler Munde, dass man ohne Übertreibung von einer Volkskrankheit sprechen kann. "In Deutschland sind knapp 35 Millionen Menschen davon betroffen", erklärt Dr. Frey. Parodontitis, umgangssprachlich auch "Parodontose" genannt, ist eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparates, die letztlich Gewebe und Knochen zerstört, die für den Halt des Zahnes verantwortlich sind. Ausgelöst wird Parodontitis vor allem durch Beläge - Plaque - am Zahnfleischrand und in den Zahnzwischenräumen. Der Plaque besteht aus zahlreichen Bakterien, deren Stoffwechselprodukte Entzündungen auslösen und eine Veränderung der bakteriellen Zusammensetzung begünstigen. Dieser Prozess ist, zumindest anfangs, schmerzfrei. Patienten bemerken ihn also erst, wenn Zahnfleisch zurückgeht, der Knochenapparat abgebaut wird und schließlich Zähne ausfallen. "Eine frühzeitige Diagnostik, ist für die Zähne überlebenswichtig", so Dr. Frey.

Der Test von Oralgenix ergibt in jeder Phase der Behandlung beim Zahnarzt Sinn: Entweder der Arzt hat schon festgestellt, dass der Patient Parodontitis hat und möchte jetzt die Behandlung verbessern, indem er sich genaue Kenntnis über das Mikrobiom verschafft. Insbesondere wenn bei weit fortgeschrittener Parodontitis das Wissen, welche Bakterien Auslöser der Entzündung sind, dabei helfen, das richtige Antibiotikum auszuwählen und schnell zu intervenieren. Oder der Patient leidet an einer bereits stark vorgeschrittenen Parodontitis, gegen die bisher kein Antibiotikum geholfen hat. Dann kann geprüft werden, ob überhaupt Bakterien schuld sind oder vielleicht eine genetische Erkrankung zugrunde liegt, bei der Antibiotika gar nicht helfen können. Und dann gibt es natürlich noch Patienten, die keine Beschwerden haben, aber zur regulären Vorsorge gehen - hier hilft die Präventivdiagnostik, Veränderungen im Mikrobiom festzustellen, die in naher Zukunft zu Parodontitis führen können. Bei entsprechend frühzeitiger Diagnose kann Parodontitis in den meisten Fällen geheilt werden, nur bei etwa zehn Prozent der Patienten ist die Krankheit chronisch.

Tatsächlich ist Parodontitis keine Erkrankung, die sich nur auf den Mundraum beschränkt. Man weiß inzwischen, dass viele weitere Erkrankungen mit den bakteriellen Entzündungen bzw. mit dem Mikrobiom im Mund verknüpft sein können. "Es gibt zahl-reiche Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Bakterien des oralen Mikrobioms mit Arteriosklerose vermuten lassen, einige dieser Bakterien können auch Bereiche des Herzens besiedeln. Ebenso gibt es Daten, die auf einen Zusammenhang mit der Entstehung und des Fortschreitens der Alzheimerkrankheit hindeuten", erklärt Dr. Frey. Womöglich ist also die Annahme falsch, dass Menschen, die an Alzheimer erkranken und es daher mit der Mundhygiene nicht mehr so genau nehmen, an Parodontitis erkranken. Es könnte sein, dass Patienten, die an Parodontitis leiden, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Alzheimer zu erkranken.

Der USP - Was ist die Innovation?
"Unser Test ist präventiv, er greift, bevor die Parodontitis da ist, wohingegen die meisten anderen Tests erst greifen, wenn sie bereits Wirkung zeigt", erklärt Dr. Frey das Alleinstellungsmerkmal seines Produkts. Wichtig ist den Gründern, dass sie mit ihrer Methode keine Diagnosen stellen - das ist und bleibt Aufgabe des Zahnarztes. "Wir liefern dem Mediziner Informationen über das Mikrobiom, das mit Parodontitis korreliert, sodass er seine Diagnose früher stellen kann."

Es ist den beiden Wissenschaftlern nicht nur gelungen, die Daten zu interpretieren. "Wir können die Gesamtheit der Veränderungen erkennen, und wir ergänzen unsere Analyse um viele individuelle Parameter", erklärt Dr. Frey. "Wir können Resistenzgene detektieren, die die Anwendung von bestimmten Antibiotika ausschließen. Außerdem gibt es Spezialfälle, bei denen die Paradontitis genetische Ursachen hat. Davon sind vermutlich weniger als fünf Prozent betroffen, aber bei 35 Millionen Patienten, sind fünf Prozent gar nicht mal so wenig." Und auch diesen Patienten kann Oralgenix Daten zur Verfügung stellen, damit der Zahnarzt die passende Behandlung einleiten kann. "Unser Präventivscreening betrachtet die gesamte Veränderung des Mikrobioms. Wir können daher individuelle Aussage für jeden Patienten treffen", fasst Dr. Urban zusammen. Da sehr viele Parameter berücksichtigt werden müssen, ist der verwendete Algorithmus äußerst komplex. Die Interpretation der Daten betrachten die Gründer als ihr "Intellectual Property" - und sind sich sicher, dass dies ihr Alleinstellungsmerkmal ist. Die Idee von Oralgenix könnte nicht nur die dentale Gesundheitsvorsorge bahnbrechend verbessern, sondern auch die Kosten im Gesundheitswesen massiv reduzieren. "Für jeden Euro, den man in die Prävention von Parodontitis investiert, kriegt man über 80 Euro Return", rechnet Dr. Frey vor. "Es ist ein brillantes Invest für eine Privatperson und auch für das gesamte Gesundheitssystem."

Die Idee der Gründer geht aber weit über die Vorsorge beim Zahnarzt hinaus. Sie wollen einen weiteren Test entwickeln, der einfach im Drogeriemarkt erhältlich sein soll. Dieser könnte den Ursachen für Mundgeruch, Pelz auf der Zunge oder auch der Tendenz zu Karies auf den Grund gehen. Er soll letztlich so einfach anzuwenden sein wie ein Corona-Test. Die Diagnose beim Zahnarzt zur Feststellung der Parodontitis und der jeweiligen Erreger ist demgegenüber noch deutlich aufwändiger. "Es ist nicht einfach nur ein Wangenabstrich", erklärt Dr. Urban. "Es müssen mehrere kleine Papierspitzen direkt an den Zahnhälsen eingeführt werden, um die richtigen Probenentnahmen zu gewährleisten." Anschließend werden die Proben bei Oralgenix aufbereitet, die DNA isoliert und analysiert.

"Milestones" - Wie geht es weiter?
Natürlich sind die hiesigen Regularien eine große Herausforderung für das Start-up: "Wir orientieren uns daher nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern ganz gezielt auch in die USA und Kanada." Das Bekenntnis der Gründer für den Standort Deutschland aber bleibt: "Wir fühlen uns hier wohl und wollen in der BioRegion STERN mit ihrer starken Biotech-Szene bleiben. Wir bekommen hier viel Unterstützung, nicht zuletzt durch die Wirtschaftsförderung von Tübingen und Reutlingen. Außerdem hat "Made in Germany" immer noch einen Wert in der Welt." Im nächsten Schritt wollen die beiden Wissenschaftler die Testanalytik und die entsprechende Validierung abschließen. Aktuell wird das Unternehmen dabei noch von einem externen Labor unterstützt, die Räume im Technologiegebäude in Reutlingen sind aber bereits angemietet, um Platz für die eigene Laborausstattung zu schaffen.

Über die BioRegio STERN Management GmbH:
Die BioRegio STERN Management GmbH ist Wirtschaftsentwickler für die Life-Sciences-Branche. Sie fördert im öffentlichen Auftrag Innovationen und Start-ups und trägt so zur Stärkung des Standorts bei. In den Regionen Stuttgart und Neckar-Alb mit den Städten Tübingen und Reutlingen ist sie die zentrale Anlaufstelle für Gründerinnen und Gründer, Unternehmerinnen und Unternehmer.
Die BioRegion STERN zählt zu den großen und erfolgreichen BioRegionen in Deutschland. Alleinstellungsmerkmale sind die bundesweit einzigartige Mischung aus Biotechnologie- und Medizintechnikunternehmen sowie die regionalen Cluster der Automatisierungstechnik, des Maschinen- und Anlagenbaus.

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